WhatsApp ist verkauft

Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass das Social-Network Facebook den Nachrichtendienst WhatsApp gekauft hat. Dies geschah zu einem Preis, den man nicht für möglich gehalten hätte. Nimmt man die Summe als ganzes, war der Verkauf satte 19 Milliarden Dollar (16 Milliarden Euro) hoch. Ein neuer Rekordpreis für eine rund 50-Mann kleine Softwareklitsche.

Die Frage, die sich einem automatisch stellt: Was genau ist an WhatsApp so viel wert? Die App selbst kostet pro Jahr nur 89Cent (Windows Phone AppStore). Angeblich besitzt WhatsApp immerhin rund 450.000.000 Nutzer. Das bedeutet, das pro Jahr Einkünfte in Höhe von etwas über 400 Millionen Euro zusammenkommen. Davon muss man aber noch Steuern  und Betriebskosten abziehen. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, braucht es also 40 Jahre, um den Kaufpreis wieder reinzuholen.

Also mal Hand aufs Herz: Das war ein Minusgeschäft, oder doch nicht? Mit hoher Wahrscheinlichkeit geht es Facebook in erster Linie um die Daten. Und die lässt sich Facebook gerne etwas kosten.

Jetzt gibt es Leute wie ich, die der Sache kritisch gegenüber stehen. Kurz nachdem ich vom Verkauf an Facebook erfuhr, habe ich meinen Account gelöscht und WhatsApp deinstalliert. Ich bin dafür natürlich auch schon ausgelacht worden. Das hängt aber damit zusammen, daß sich die wenigsten der Bedeutung dieser Transaktion bewusst sind.

Während sich verantwortungsbewusste Webdesigner, die eine schwindend geringe Minderheit in Deutschland darstellen, sich ständig um die Sicherheit und um das Thema Datenschutz kümmern müssen, geht es dem „Otto-Normal-Verbraucher“ praktisch am Arsch vorbei. Und genau hier liegt das Problem.

Ich für meinen Teil gehe davon aus, das es in naher Zukunft einen Datenabgleich zwischen Facebook und WhatsApp geben wird. Facebook versucht ja schon länger möglichst von jedem Nutzer die Mobilfunknummer zu bekommen. Jetzt hat sich Facebook einen großen Datenbestand gesichert. Und jeder der beide Dienste nutzt, bei Facebook aber seine Nummer und seinen Standort nicht freigegeben hat, verliert vermutlich demnächst die Kontrolle darüber.

Ich möchte auf eines meiner früheren Experimente mit Facebook aufmerksam machen. Im Sommer 2011 konnte ich mit einem jungfräulichen Account bei Facebook innerhalb von 24h 200 neue Kontakte knüpfen. Kaum einer hat abgelehnt. Keiner kannte mich. Würde ich das heute wiederholen, erhalte ich innerhalb von einer Woche viele Nutzerdaten. Die sind für Einbrecher besonders interessant. Wer ist gerade im Urlaub? Wer ist gerade beim wöchentlichen Einkauf? Wer macht gerade einen Ausflug wo hin? Die neuen Kontakte geben mir also Aufschluss, ob jemand zu hause ist – oder nicht. Ich kann mir als Krimineller also beruhigt Zugang zur Wohnung oder zum Haus verschaffen und es ausräumen.

Jetzt argumentieren ja viele, es gebe nichts zu holen. Nein? Wirklich nicht? Ein TV? Ein PC? Eine Play-Station? Eine XBOX ONE? Vielleicht Bargeld? Und wenn ich schon als Einbrecher da bin, und weiß daß ich genug Zeit habe, dann kann ich auch genauer suchen. Nach Schmuck, Bildern und allem anderen was sich gut verkaufen lässt.

Jetzt wird ein potentieller Einbrecher auch noch die Mobilfunknummer erhalten? Gut, zugegeben, von einigen hat man sie eh schon. Aber dank des Verkaufs von WhatsApp kriege ich sie in jedem Fall. Hier ergeben sich – aus krimineller Sicht – ganz neue Möglichkeiten.

Ich kann über jeden Facebook-Kontakt ein umfassendes Profil erstellen – einschließlich der Mobilfunknummer. Wer hat Kinder? Wie alt sind die? Wo wohnen die? Was sind deren Hobbies? Welche Produkte und Dienstleistungen bekamen bisher ein „like“? Bei welcher Bank sind sie? Welche Bücher werden gelesen? Welcher Kinofilm war interessant? Wie viel Geld hat die Familie?

Die Werbewirtschaft interessiert sich für solche Details. Und wer diese in Massen beschaffen kann, der kann damit großes Geld machen – nicht nur wie Facebook. Für die Kinder gibt es einen Bausparvertrag per Telefon. Die Eltern ordern eine günstigere KFZ-Versicherung. Umfrageportale stürzen sich auf die Telefonnummern wie Heuschrecken.

Vermutlich gehen die Daten auch zur NSA. Aber das ist eigentlich nicht so wichtig. Die NSA interessiert sich nicht wirklich dafür, was ich auf Facebook mache. Die interessieren sich auch nicht für meine WhatsApp-Nachrichten. Was ich sagen möchte: Vor den Geheimdiensten brauchen wir keine Angst haben – außer man ist Voll- oder Teilzeitterrorist.

Nein, wir müssen eher vor jenen Angst haben, die Zugang zu unseren Profilen haben. Wir müssen jene „Freunde“ die wir nicht kennen schleunigst aussortieren. Wir müssen uns darüber klar werden, das Datenschutz nicht beschreibt, das Daten geschützt werden, sondern wie mit ihnen von Unternehmen umgegangen wird, welches sie erhebt und speichert.

Klar kann man das jetzt alles als „Panikmache“ abstempeln. Aber es gibt noch ein weiteres Problem. Facebook ist zweifellos der Marktführer. Andere Netzwerke verschwinden irgendwo in der Versenkung. Keiner gibt einem anderen Netzwerk eine reale Chance, sich zu beweisen. Alle sind bei Facebook, also bin ich auch da. Selbst wenn das andere Netzwerk real besser ist – einschließlich in Sachen Datenschutz und Datensammelwut – hat es praktisch keine Chance auf Erfolg.

Niemand interessiert sich für gleichwertige oder bessere Angebote. Man bleibt meist aus Faulheit bei Facebook und auch bei WhatsApp. Die nur logische Folge: Der Marktführer erhält durch den Nutzer ein weltweites Monopol. Alle Daten, alle Kontakte, alle Verknüpfungen laufen über einen Anbieter. Das gibt dem Unternehmen praktisch unbegrenzte Möglichkeiten. Und diese werden auch ausgenutzt. Das ist klar.

Die Nutzer interessiert das nicht. Für sie sind zwei Punkte wichtig: Erstens muss es kostenlos sein und zweitens müssen meine Freunde auch da sein. Die Risiken und Nebenwirkungen werden als „irrelevant“ eingestuft.

Der Wahnsinn geht aber noch weiter. Und das Beste? Wir sind alle dabei!