Der Homöopathie-Wahnsinn

Von | 16.12.2017
Lamotrigin

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Die Krankenkassen müssen sparen. Die Kassen sind leer. Hilfen werden gekürzt. Beiträge steigen. Wer an seltenen Erkrankungen leidet, bekommt keine teuren Therapien bezahlt. Und schon gar nicht, wenn diese im Leistungskatalog nicht enthalten sind. Gleichzeitig zahlen die Kassen (nicht alle, aber viele) für Leistungen, deren Wirksamkeit nicht erwiesen ist – aber populär sind: Die Homöopathie.

Aber immer eins nach dem anderen. Wenn wir uns etwas Zeit nehmen, dann gehen wir einen großen Schritt in die Vergangenheit. Die Homöopathie ist nämlich nichts, was aus historischen Entwicklungen erwachsen ist. Die Homöopathie findet ihren Ursprung bei den Nazis. Am 17.2.1939 trat das Heilpraktikergesetz in Kraft. Es schuf die rechtliche Grundlage dafür, eine medizinische Behandlung durch Ahnungslose zu ermöglichen. Es gab dennoch Universitäten und Lehrstühle für die Homöopathie, um nach außen hin eine gewisse Professionalität zu suggerieren.

Damals war es so, dass aufgrund des Krieges richtige Ärzte und richtige Medikamente knapp waren. Ziel war es, den Krieg zu gewinnen. Und deshalb waren Mediziner und Medikamente natürlich an der Front – und nicht beim Bürger. Man durfte als NSDAP den „kleinen Mann“ zuhause nicht alleine lassen. Deshalb hat man einen Pseudoarzt erfunden, an den sich Kranke wenden konnten. Wer gesund wurde, dem hat die Homöopathie geholfen. Wenn man starb, war man einfach zu krank. Schwache und Kranke wurden so von der gesunden Bevölkerung kostengünstig getrennt. Es ging den Nazis nicht nur um Rassentrennung, sondern auch darum, dass nur die Starken überleben. Die Homöopathie war der Schlüssel dazu:

Ein Arzt, also ein echter Arzt, hingegen ist ein Beruf, der entstanden ist, als wir erste Gesellschaftsformen angenommen haben. Es gab da aber nicht den Arzt wie heute, sondern Heiler, Hexen, … Menschen, die sich für die Natur und ihre Heilkräfte interessierten. Jede Kultur – egal wie alt – hatte Ärzte. Der Job des Medizinmanns ist einer der ältesten Berufe unserer Gesellschaft. Und auch heute noch spielt die Natur eine Rolle – in verschiedenen Darreichungsformen. Aber wer sich dafür interessiert, der wird herausfinden, das viele echte Medikamente auf Naturbasis entstehen.

Die Debatte um gute Homöopathie und böser Ärztemedizin ist also vollkommen sinnbefreit. Am Ende gewinnt immer jener der heilt, und nicht der, welcher sich auf Basis eines Nazigesetzes die Taschen vollstopft.

Die Krankenkassen zahlen jährlich etwa 500 Millionen Euro für eine Pseudomedizin, die nicht heilt, sondern die Erkrankung nur verschleppt. Die Folge daraus ist klar: Die Erkrankung wird schlimmer, und am Ende muss doch der Arzt ran. Und wenn der dann zu spät eingeschaltet wird, dann ist der Arzt natürlich schuld. Und in Wirklichkeit haben wir einfach einen dummen Patienten, der den Homöopathen viel Geld für nichts bezahlt hat.

Natürlich ist es verführerisch, zu einem Homöopathen zu gehen. Der hat in kürzester Zeit einen Termin für mich frei. Er stimmt mir immer zu. Er suggeriert immer Fachkenntnis und „persönliche Erfahrung“. Und selbstverständlich erwarte ich eine „natürliche Behandlung“. Alles das kriege ich dort. Nur es hilft mir nicht.

Als Kassenpatient weiß ich das, weil ich beim Homöopathen war. Ich habe ihn aufgesucht wegen einer seltenen Form von Epilepsie. Tausend Kügelchen und nur genug Magnesium würden mich wieder gesund machen. Es wird einem eingeredet, man kann sich gesund kaufen, wenn man nur genug Geld bezahlt. (Was mich ein wenig an die Ablassverkäufe im 16 Jahrhundert erinnert – aber das ist ein anderes Thema)

Auf einen Termin beim Neurologen wartete ich – wie gesagt als Kassenpatient – zwei Monate. Das ist Fakt. Ich hatte damals den Vorteil, dass ich die Diagnose im Krankenhaus schon bekam, und nicht erst den Diagnoseweg nochmal gehen musste. Deshalb war die Frage, was zu tun ist. Und so gab es ein Medikament für mich. Besuch beim Arzt zahlt die Kasse. Medikament zahlt die Kasse.

Einen Arzt kann ich übrigens bei einer Falschbehandlung verklagen. Ein Homöopath haftet nicht für seine Quacksalberei.

Am Ende steht jetzt die Frage, ob Homöopathie von der Kasse bezahlt werden soll, oder nicht. Es geht also nicht um eine Ideologie, sondern schlicht um Geld. Und ich muss die Frage stellen dürfen, warum bei ungewollt kinderlosen Paaren Leistungen der Krankenkasse gestrichen werden, aber jene Kosten der sinnbefreiten Homöopathie übernommen werden? Wie kann das sein?

Oder auch: Wer an einer äußerst seltenen Krankheit leidet, hat oft das Problem, keine Medikamente zu bekommen – weil die Pharmaindustrie und die Medizin nur an den Krankheiten forschen, die lukrativ genug sind. Warum also nicht das Geld, das man für Homöopathie ausgibt, in einen Fond stecken, der genau diesen Personengruppen hilft? In unserer Gesellschaft wird viel darüber diskutiert, Minderheiten nicht zu unterdrücken und ihnen zu helfen. Wo bleibt hier die Hilfe?

Übrigens: Homöopathie ist in den europäischen Ländern gewöhnlich verboten … aus guten Gründen.