Schöne Scheiße: EU-Datenschutzreform bekommt grünes Licht

Von | 17.12.2015

Seit Mittwoch finden wir in den Nachrichten vor allem ein Thema: Die EU-Datenschutzreform. Sie gilt seit Mittwoch als abgeschlossen und Unterschriftsreif. Nach vier Jahren Arbeit ist es also soweit. Die Mitgliedsstaaten haben einen gemeinsamen Kurs gefunden. In der Presse wird gejubelt wie schon lange nicht mehr. Und jene wie ich, werden in diesen Tagen der Ketzerei bezichtigt.

Das Reformpaket wird in den Medien als „Beschützer des freien EU-Bürgers“ propagiert. Es schütze vor datenhungrigen Unternehmen. Der Verbraucher sei der Gewinner – heißt es immer wieder. Die Unternehmen seien die Verlierer. Und außerdem habe man den Lobbyisten gezeigt, wer die Macht im Land hat.

Die Wahrheit ist, das sich der jubelnde Pöbel noch gar nicht klar ist, was er gerade verloren hat. Obwohl politische Globalplayer sich mehrfach dahingehend geäußert haben, das die Datenströme das Internet antreiben, bauen selbige jetzt Mauern und Justizfallen auf. Auf das die Ströme versiegen werden und #Neuland vernichtet wird.

Ab 2018 ist es grundsätzlich verboten Daten ohne Zustimmung zu sammeln. Das ist toll. Jeder User muss künftig separat um Erlaubnis gebeten werden. Und die Daten dürfen auch nur für vorher bezeichnete Zwecke verwendet werden.

Diese Vorgabe ist ein Werbekiller. Alle werbefinanzierten Websites sind dann illegal. Das sind …. 80% aller Websites, oder mehr? Die meisten Werbeagenturen setzen Cookies und andere Methoden ein, um Daten zu analysieren – mit dem Ziel personalisierte Werbung auszuliefern. Dem Kunden soll Werbung gezeigt werden, die ihn auch interessiert.

Dieser Killer wird Websitebetreiber und mittelständische Unternehmen in die sichere Pleite führen. Viele werden aufgeben.

Aber nehmen wir an, ein paar halten durch. Sie müssen dann jeden Nutzer um Erlaubnis bitten, Daten sammeln und nutzen zu dürfen. Wenn Sie heute nach dem Begriff „ADHS“ suchen, dann erhalten Sie ein Suchergebnis. Hunderte Links. Tausende Links. Und jeden Suchtreffer den Sie besuchen, wird Sie erstmal um Erlaubnis bitten müssen, Daten zu erheben. Lieber Nutzer ….. viel Spaß beim klicken! Hoffentlich hält ihre Maustaste das aus.

Und dann sind da noch die anderen. Die Websites, bei denen man sich künftig Anmelden muss, um Inhalte zu sehen. Ohne Registrierung keine Leistung. Es werden also erstmal umfangreiche Daten erhoben, damit diese verwaltet und verarbeitet werden können. Bei den meisten wird es dann ein Abo-Model werden. Sie werden also Geld bezahlen müssen, wenn Sie Inhalte sehen wollen. Wie viele Zeitungsabos werden Sie wohl dann haben? Zehn? Hundert? Noch mehr?

Und? Was glauben Sie? Hat der Verbraucher immer noch gewonnen?

Aber nur die Ruhe. Wir sind ja noch am Anfang des Debakels. Haben Sie Kinder? Sind sie in sozialen Netzwerken unterwegs? Laut der Reform dürfen Unternehmen keine Daten sammeln, wenn die Kinder nicht mindestens 16 Jahre alt sind. Die Frage ist nur, wer wird dann haften, wenn ein 14-Jähriger sich auf Facebook anmeldet? Facebook? Weil eigentlich muss Facebook die Erlaubnis der Eltern einholen. Oder haften die Eltern, weil sie ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind? Haben sie ihr Kind vernachlässigt? Die Gerichte werden das entscheiden müssen …. wobei Facebook eher nicht haften wird ….

Es kommt noch besser. Eigentlich hat ja niemand vor, eine Mauer zu bauen. Websitebetreiber werden ab 2018 dazu verpflichtet Mauern zu errichten. Jeder Websitebetreiber muss nämlich eine Beschwerdestelle einrichten. Und das in der jeweiligen Landessprache. Ich muss also als deutsche Website darauf achten, das nur Personen aus Deutschland einen Zugriff haben. Alle anderen müssen per Gesetz ausgeschlossen werden. Alternativ errichte ich in jedem Land ein Büro als Beschwerdestelle. Klingt unrealistisch? Ab 2018 werden wir sehen …. das viele Websites ersatzlos verschwinden. Übrigens: Facebook, Google, ….. können sich diese Auflagen leisten. Das Internet bekommt Grenzen ….. noch Fragen?

Aber jetzt kommt etwas lustiges. Es gibt Websites, die brauchen Daten des Nutzers, um überhaupt zu funktionieren. Da wir auch im Jahr 2015 keine echten Code-Standards haben, gibt es für fast jeden Browser entsprechende Optimierungen, die nur dann greifen, wenn die Website den Clienten (also den Browser des Nutzers) aushorchen darf.

Warum ist das ein Problem? Nun, wir wissen als Websitebetreiber bis heute nicht eindeutig, was der Gesetzgeber unter „persönlichen Daten“ versteht. Es gibt beispielsweise Trackingdienste, welche einen Nutzer – stark vereinfacht dargestellt – an seinen Browsereinstellungen erkennen können. Ist das Privat? Auslegungssache. Im Landgericht Hamburg bestimmt. In München sieht das anders aus.

Und Sie glauben, der Verbraucher hat gewonnen …? Und das waren jetzt nur erste Einzelheiten. Also ich als Websitebetreiber kann Ihnen aus fachlicher Sicht sagen, das der Verbraucher diese Woche eine herbe Niederlage schönredet.

Das erste was ein Start-Up in Deutschland braucht ist kein Webspace oder Programmierer ….. das erste was das neue Unternehmen braucht ist ein Anwalt. Herzlich willkommen in der EU!

Aber gut. Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird. Ich muss aber zugeben, das diese Redewendung nur ein schwacher Trost ist. Offen gesagt glaube ich nicht daran, das sich inhaltlich noch viel ändert. Und deshalb werde ich meine Internetaktivitäten – quasi per Gesetz – Ende 2017 einstellen.