Wellenreiter

Die deutsche Presselandschaft ist einfach nicht mehr gut genug. Sie schreibt gnadenlos voneinander ab, ohne den Leser auch nur einen Funken des eigenen Könnens darbieten zu wollen.

Da werden Storys aus dem Hut gezaubert, bei denen der dumme Leser sofort erkennt, was „gut“ und was „böse“ ist. Durch leichteste Manipulation des Lesers, lassen sich auf diese Weise Geschichten viel besser verkaufen. Selbst dann, wenn sie inhaltlich falsch sind.

Erst kürzlich hat die Presselandschaft in „good old Germany“ entschieden: Wir alle in Deutschland leiden an ADHS, weil wir uns bis zu drei mal am Tag die Zähne putzen. Das ist kein Witz! Wer mal „googlen“ möchte, der suche nach „adhs fluorid“.

Innerhalb kürzester Zeit wird dem Leser klar, das er seine Zahnpasta und das heimische Salzvorkommen im Küchenschrank selbstkostenpflichtig entsorgen muss, weil beides mit Fluorid verseucht ist.

Es ist der glatte Wahnsinn einer Gesellschaft, die es vorzieht denken zu lassen, anstatt selber zu denken.

Ich, als einer der wenigen der nicht alles isst was auf den Tisch kommt, habe natürlich die „Breaking News“ überprüft. Um es kurz zu machen: Die Behauptungen welche die Presse aufstellt sind nicht nur an den Haaren herbeigezogen, sondern schlicht falsch. Und das kann jeder nachprüfen, dem ausreichend Hirnmasse zur Verfügung steht. Ich habe aber mit all jenen Mitleid, die nicht selbst denken oder suchen wollen. Hier gibt es eine Zusammenfassung von ADHS durch Fluorid.

Ich manipuliere meine Leser letztlich also auch, indem ich ihnen das Denken zweifellos oft genug abnehme. Meine Artikel haben jedoch einen bleibenden Wert …

Eigentlich hat die Presse eine wichtige Aufgabe innerhalb eines demokratischen Staates. Sie soll Fakten darstellen und zur Meinungsbildung beitragen. In Wirklichkeit betrachtet sie den Leser als einen Erfüllungsgehilfen. Denn der Leser ist die Ware – nicht der Artikel um den es geht.

Alles dreht sich heute um Nutzerzahlen. Um Visits und Impressionen. Ein Unternehmen, welches sich der journalistischen Tätigkeit widmet, verkauft meist Onlinewerbung um sich zu finanzieren. Das ist an sich nichts neues. Aber „damals“, als das Web wirklich noch #Neuland war, wäre keiner auf den Gedanken gekommen, ein anderes Produkt zu vermarkten, als den Artikel selbst.

Heute werden die Nutzer vermarktet. Und diese will man gewinnen, indem man Flächendeckende Angebote streut. ADHS und Fluorid ist solch ein Tool, um sich der Nutzerschar habhaft zu machen. Denn die einen sagen „Yes, genau so isses“, und die anderen sagen „So ein Blödsinn habe ich noch nie gelesen“.

Beide Gruppen verteilen den Link jetzt aber weiter. Die einen, weil sie erfolgreich manipuliert wurden, und anderen am geistigen Durchfall des Schmierblatts teilhaben lassen wollen. Und die anderen verteilen den Link, weil man anderen Zeigen muss, was für ein dummes Zeug da geschrieben steht. Und so erreicht man 100% Erfolg.

Dieser Artikel hat aber eine ganz besondere Eigenschaft: Er ist extrem kurzlebig. Nach drei oder vier Tagen ist der Spuk schon wieder vorbei. Und genau in dieser Zeit wird Geld verdient. Um daran mitzuverdienen, muss jetzt jedes andere Schmierblatt einen vergleichbaren Artikel rausbringen. Das hält die Welle am laufen. Vielleicht schafft man es dadurch das Thema zwei Tage länger auszubeuten.

Am Ende bleibt ein nutzloser Artikel – aber die Kohlen sind eingestrichen. Etwas das wirklich relevant oder hilfreich gewesen wäre? Nix da!

Guter Journalismus kostet Geld. Und zwar richtiges Geld. Aber wer in Deutschland will das bezahlen? Niemand! Also bleibt es dabei, das der Nutzer das Produkt ist, und nicht der journalistische Inhalt.