Zeitarbeit und die Wertschöpfung

In den vergangenen Jahren hatte die Zeitarbeit ein schlechtes Image. Sie hatte es sich selbst „schwer“ erarbeitet, und tut auch bis heute alles, um das miese Image zu behalten.

Ein Grund für die negative Meinung über die Zeitarbeit besteht in der schlechten Entlohnung der Arbeitnehmer. Jeder der rechnen kann – Stoff der 3. Klasse reicht -, der weiß, das man davon nicht leben kann. Die Bezeichnung „prekäre Beschäftigung“ ist eine bodenlose Untertreibung.

Aber das ist den Arbeitgebern egal. Denn seit 2003 berufen sie sich darauf, das die Zeitarbeit über Tarifverträge verfügt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Einzelmitgliedergewerkschaften (u.a. IG Metall) haben dem Lohndumping überhaupt erst Tür und Tor geöffnet. Berücksichtige ich die jüngsten Ereignisse in der Zeitarbeit, so ist klar, das der DGB als auch die Einzelgewerkschaften kein Interesse daran haben, an der Zeitarbeit irgendetwas zu ändern.

Ist auch nicht weiter verwunderlich … so unterhalten die Gewerkschaften um ein paar Ecken herum selbst Zeitarbeitsfirmen und haben deshalb auch kein Interesse an einer Veränderung.

Doch seit einigen Monaten schon argumentiert die Zeitarbeitsbranche mit einem völlig neuen Argument die schlechten Löhne. Sie sagen, das der Lohn nur so hoch ausfallen kann, wie die Wertschöpfungskette dies erlaubt. Im Klartext bedeutet das, dass der Arbeitnehmer ein Nachsehen haben muss, weil der Personaldienstleistungskaufmann unfähig ist – oder sich dem Konkurrenzkampf unterwerfen muss.

Nur zum Verständnis: Wertschöpfung bedeutet – stark vereinfacht ausgedrückt – das ein Mitarbeiter nur einen Lohn bekommen kann, der niedriger ist, als das, was sein Arbeitgeber verdient. Ist ja auch logisch. Denn wenn der Arbeitgeber mehr Lohn bezahlt, als er durch sein Produkt erwirtschaftet, macht er minus und geht demnächst pleite.

In der Zeitarbeit sind die Löhne also deshalb niedrig, damit die Zeitarbeitsfirmen überhaupt überleben können.

Wenn wir uns die Wertschöpfungskette ansehen, dann zeigt sich aber ein ganz anderes Bild. Nehmen wir mal an, ein Leiharbeiter verdient 10,-€/h. Dann kostet er dem Entleiher ca. 30,-€/h. Das bedeutet, das die Zeitarbeitsfirma von diesen 30€/h alle anfallenden Kosten bestreiten muss – und zuletzt auch noch Gewinne einfahren will. Der Arbeitnehmer verdient dann ungefähr 1.400,-€ Brutto. Die Leihbude bekommt insgesamt rund 4.200. Davon der Lohn abgezogen: Bleiben etwa 2.800,-€. Davon gehen dann noch Arbeitgeberanteile weg, ein paar Steuern – der Rest ist Gewinn.

Ein Festangestellter kostet, wenn er fair bezahlt wird, um die 15,-€/h. Im Süden Deutschlands werden zwar Löhne über 20,-€/h gezahlt, aber bleiben wir fair und nehmen einen Mittelwert. Das sind dann monatlich etwa 2,400€ Einkommen (Brutto).

Weiter angenommen unser Festangestellter und der Leiharbeiter arbeiten in einem Unternehmen, welches 100 Mitarbeiter (inkl. Zeitarbeiter) hat. Dieses Unternehmen macht jedes Jahr 100 Millionen Umsatz. Dann trägt jeder Mitarbeiter durchschnittlich zu einer Million Euro pro Jahr bei.

Wir unterscheiden jetzt bewusst nicht zwischen Putzfrau, Facharbeiter oder Geschäftsführung. Tatsache ist, das alle gebraucht werden, um an das Geschäftsziel zu kommen.

Das bedeutet jetzt aber auch, das der Zeitarbeiter im Verlauf eines Jahres dazu beiträgt, das er seine Million Umsatz generiert. Die Wertschöpfung im Unternehmen ist also viel höher als das, was die Zeitarbeitsfirma für den Leiharbeiter bekommt. Der Leiharbeiter wird aber nach der Wertschöpfung entlohnt, welche die Zeitarbeitsfirma generiert. Also sprich die o.g. 30€/h.

Wenn die Zeitarbeit also argumentiert, das der Lohn der Wertschöpfung angepasst sein muss, dann müsste sie den Zeitarbeitslohn daran bemessen, was der Leiharbeiter im Kundenbetrieb erwirtschaftet.

Aber das tut sie natürlich nicht. Und das macht auch das entleihende Kundenunternehmen bei seinen eigenen Mitarbeitern nicht so. Denn dann würden die Arbeitnehmer einige zehntausend Euro pro Monat verdienen. Und das will kein Unternehmen dieser Welt. Und deshalb wurde ja mal die Gewinnbeteiligung eingeführt. Nicht in jedem Unternehmen, aber in vielen. In der Zeitarbeit jedoch gibt es definitiv keine Gewinnbeteiligung. Ich kenne jedenfalls keine einzige … und ich war in meinen 7 Jahren bei vielen Zeitarbeitsfirmen.

Das Argument der Zeitarbeitgeber, der Leiharbeiter verdiene wenig, weil die Wertschöpfung das überhaupt nicht hergibt, ist schlicht falsch. Richtig ist: Wer dieses Argument vorträgt, der hat als Arbeitgeber, in diesem Fall der Personaldienstleistungskaufmann der Zeitarbeitsfirma, einen verdammt schlechten Job gemacht – oder streicht die dicke Kohle selbst ein. Der Arbeitnehmer geht dadurch praktisch mittels vorgeschobenen Grund leer aus.

Kommen die Zeitarbeitgeber dann in Erklärungsnot, beruft man sich stets auf die Tarifverträge … die so schlecht sind, das man gar nicht so viel essen kann, wie man kotzen möchte! Oder sie wählen den Klassiker …. der Autor hat keine Ahnung …

Ich jedenfalls bin froh, das ich kein Zeitarbeiter mehr bin. Und lieber gehe ich Klos putzen, als da nochmal um nen Job zu fragen. Beim Kloputzen bleibt mir immerhin meine Ehre und mein Stolz.

🙂