Zeitarbeit ist unattraktiv

Ich weiß: Bei dem Titel geht gleich so manchem Arbeitgeber die Hutschnur hoch, aber eine passendere gibt es nicht. Aber bevor ich jetzt loslege, möchte ich kurz sagen, was mich zu diesem Blogeintrag geführt hat.

Vor ungefähr vier Wochen hatte ich einen Streit mit einem Arbeitgeber aus der Zeitarbeit. Thema war die Unverhältnismäßigkeit in der Lohnfrage bzgl. der Gastronomie in München. Ein Helfer, also eine Person ohne jegliche Ausbildung verdient nach IGZ / DGB Tarifvertrag 8,19€ pro Stunde – Brutto versteht sich. Wenn also jemand über Zeitarbeit in der Gastro arbeitet, dann verdient der das. Ob es in dieser Branche „Zeitarbeits-Zuschlagstarife“ gibt, entzieht sich gerade meiner Kenntnis. Aber selbst wenn es die gibt, handelt es sich nur um Centbeträge. Die Zeitarbeit ist geizig genug, um die Leute vor dem gedeckten Tisch verhungern zu lassen.

Dem Helfer aus der Zeitarbeit steht die ungelernte Hilfskraft in München gegenüber, die nicht in der Zeitarbeit tätig ist. Sie bekommt – so behauptete ich vor etwa vier Wochen in dem Streitgespräch – 12,-€/h plus X.

Wie gesagt gab es Streit. Ein Wort folgte dem anderen und am Ende habe ich mir die Freiheit genommen den Kontakt einzustellen. Aber es war mir klar, das es sich meinerseits um „Hörensagen“ handelt. Also habe ich entschieden, das ich die Sache nochmal genauer beleuchte. Und ich habe die letzten zwei Wochen viel Zeit investiert, um mit Gastronomen zu sprechen. Das Ergebnis möchte ich jetzt hier mitteilen.

Zunächst einmal müssen wir unterscheiden zwischen den Segmenten Bar / Kneipe / Lounge und dem Gastgewerbe mit Übernachtungsmöglichkeit.

Bar / Kneipe

Je nachdem wie angesagt die Location ist, verdienen die Hilfskräfte mit. Ich habe jedoch keine Hilfskraft ausfindig machen können, die unterhalb von 13,50€/h arbeitet – Brutto versteht sich. Zuzüglich kommt die ungelernte Kraft mit Trinkgeld und Gewinnbeteiligung auf einen Stundenlohn auf bis zu 30,-€/h – vor Steuer. (Hinweis: Trinkgeld und Gewinnbeteiligung muss versteuert werden).

Zeitarbeiter werden in diesem Segment für gewöhnlich gar nicht erst eingestellt. Das Problem liegt auf der Hand: Der erwirtschaftete Lohn fließt in die Tasche der Zeitarbeitsfirma und wird gewöhnlich nicht an den Arbeitnehmer weitergegeben. Außerdem sind Zeitarbeiter in der Branche nicht gern gesehen. Viele Betreiber fürchten um ihren Ruf und um ihre Flexibilität.

Mir wurde oft erzählt, das die Zeitarbeitsfirmen bevorzugt mit „Knebelverträgen“ arbeiten. Frei nach dem Motto „Du bekommst Personal, das wir dir geben – und Du zahlst das“. Ein Mitarbeiter der ungeflegt ist, nicht rechnen kann, wenig gesellig ist, und auch sonst keine weiteren Anforderungen des Jobs erfüllt ist unbrauchbar. Außerdem reicht der Lohn in der Zeitarbeit nicht mal aus, um sich für den Job entsprechende Kleidung zu besorgen!

Die meisten Gastgewerbe arbeiten bis weit nach Mitternacht. D.h. die Mitarbeiter fahren meist mit dem Taxi nach Hause. Da kostet eine Fahrt schon mal 30€ und mehr. Mit anderen Worten: Der Zeitarbeiter muss noch Geld mitbringen, damit er da arbeiten kann.

Das „Übernachtungsgewerbe“

Ich könnte jetzt auch Hotelgewerbe schreiben. Aber das ist überzogen, da ich nicht nur in „besseren“ Hotels war. Ich wollte aber auch die „weniger guten“ anschauen, weil ich ein besseres Gesamtbild bekommen wollte.

Eine ungelernte Kraft verdient in München ab 12,-€ aufwärts. Das hängt dann mit der Tätigkeit zusammen. Reinigungsdienste, Küchenhilfen und so weiter. Eine tatsache, der wir ins Auge blicken müssen.

Interessant fand ich die Begründung von einem Hotelinhaber, der keine Zeitarbeiter einstellt. Der sagte „Zeitarbeiter sind externe Beschäftigte. Sie gehören nicht zum Team. Und die wissen das. Und die bringen dann nicht die gleiche Leistung und Zuverlässigkeit. Wenn ich Mitarbeiter brauche, dann stelle ich selbst ein.“

Ferner sagte er „Die Zeitarbeit ist auch ein Spiel mit dem Feuer. Der Tarifvertrag der heute gilt, hat morgen keine Bedeutung mehr. Ich brauche Kontinuität und Planungssicherheit. Das habe ich mit der Zeitarbeit nicht. Und gerade hier findet sich schnell ein anderer Arbeitgeber, der erheblich besser bezahlt als ein Zeitarbeitsunternehmen.“

Zum Lohn sagte er außerdem: „Von 8,19€ Brutto kann hier doch kein Mensch leben. Und ob der eine Ausbildung hat, spielt keine Rolle. Dem Zeitarbeiter bleibt am Ende nur die Aufstockung oder Schwarzarbeit. Das der Zeitarbeitslohn nicht reicht, kann sich jeder selbst ausrechnen. Zeitarbeitgeber sehen das naturgemäß anders. Denn sie müssen nicht von den paar Kröten ihren Lebensunterhalt bestreiten, der in ihrem Tarifvertrag festgeschrieben steht.“

Zum Thema „Werkvertrag“ gab es auch interessante Äußerungen. Die Meinung dazu insgesamt war aber gleich: Werkvertrag ist teuerer, weil die Qualität leidet. Leidet die Qualität, bleiben die Gäste weg. Was ich heute spare, zahle ich in Zukunft drauf.

Einer der Befragten sagte dazu „Natürlich kann ich mit einem Werkvertrag Geld sparen. Aber ich gebe damit ein Stück Leitung aus der Hand. Wir sind den Werkvertragsmitarbeitern gegenüber nicht Weisungsbefugt. Und wenn wir etwas zu bemängeln haben, dann dauert es lange, bis etwas passiert. In der Zwischenzeit müssen meine Leute das dann nacharbeiten.“

Zur Lohnfindung sagte ein anderer: „Die Leute die sich hier bewerben, wissen, wieviel sie brauchen und was am Ende des Monats übrig bleiben soll. Entsprechend hoch sind die Forderungen. Aber solange die Forderungen mit der Leistung übereinstimmen, zahlen wir das auch gerne.“

Was auch interessant war: „Die Zeitarbeit ist nicht so flexibel wie sie gerne behauptet. Es gibt keine Zeitarbeitsfirma, bei der ich jetzt anrufen könnte, um in einer Stunde eine Helferin oder Helfer hier zu haben. Heute brauche ich jemanden und morgen nicht. Dann brauche ich jemanden für zwei Tage und dann mal eine Woche keinen. Wir in unserem Haus haben uns dafür einige Hausfrauen gesucht, die zeitweise hier arbeiten. Die sind wirklich flexibel. Kann die eine nicht, kann die andere. Und die haben zu Hause Kinder. Und deshalb wissen die auch, was wir hier unter einem sauberen Zimmer verstehen. Und von denen geht keiner unter 14 Euro nach Hause. Wenn ich will das es so läuft, das ich nicht jeden Handgriff selbst kontrollieren muss, muss ich das bezahlen. Unsere Gäste danken es uns. Und wenn ich eine Planstelle zu vergeben habe, besetze ich die sicher nicht mit einer Zeitarbeitsfirma.“

Fazit:

Helfer für 8,19€ im Gastgewerbe? Nicht in München.

Danke!

Es war übrigens gar nicht so leicht Interviewpartner zu finden. Deshalb Danke an alle, die sich für mich Zeit genommen haben.